Gennadi Timtschenko
Präsident Putins Machtsystem basiert auf einer Balance verschiedener Elitegruppen, die miteinander konkurrieren. Aus verschiedenen Lebensphasen Putins haben sich solche Einflußnetzwerke gebildet, die sich z.T. überschneiden. Doch es gibt nur eine Person, die eine Verbindung zu allen wichtigen tonangebenden Elitegruppen aufweisen kann: Gennadi Timtschenko.
Aus dem gemeinsamen Judotraining in St. Petersburg kennt Timtschenko Putin schon aus der Zeit vor seinem Aufstieg. Aus dieser Zeit stammt auch die Judo-Verbindung zu den Rotenberg-Brüdern, die gemeinsam mit Putin trainierten. Durch seine geschäftliche Tätigkeit im St. Petersburger Öl- und Handelsgeschäft der 1990er Jahre konnte er dann wichtige Kontakte zur damaligen St. Petersburger Stadtverwaltung knüpfen, die auch heute noch den Kern der inneren Elite-Gruppe von Putin ausmacht.
Durch eine Beteiligung an der Bank Russia erweiterte er sein Netzwerk enorm, denn über diese Bank wurden große Werte von Gasprom in die innere Umgebung von Putin umgeleitet und die Bank gilt als Kopf des Geschäftsimperiums der Putin-Elite. Durch seine Nähe zu einigen Akteuren des Sicherheitsapparates ("Silowiki") sicherte er sich auch in diesem Bereich gegen Ermittlungen aller Art ab. Mit Erfolg, denn Timtschenko gilt als reichster Neuaufsteiger der Putin-Zeit, wobei unklar ist, welche Werte wirklich nur ihm gehören oder wer sonst noch daran beteiligt ist.
Der Ölhandel als Basis für den Aufstieg
1991 war Putin in der Stadtverwaltung von St. Petersburg u.a. für die Regulierung der Im- / Exporte in der Stadt zuständig, die 20 % des gesamten russischen Außenhandels ausmachten. Alle Lizenzen und Genehmigungen mußten von Putins Büro gezeichnet werden. Leiter von Putins Büro war Igor Setschin, der heute zu den einflußreichsten Personen der Putin-Elite gehört.
1992/1993 zeichnete sich eine Nahrungsmittelversorgungskrise in der Stadt an, als die alte sowjetische Planwirtschaft zusammenbrach. Als Lösung vergab Putin an diverse Unternehmer Lizenzen, durch die diese Öl und Metalle zu billigen Inlandspreisen erhielten, um sie dann zu viel höheren Weltmarktpreisen zu exportieren. Mit den Gewinnen sollten dann Nahrungsmittel aus dem Ausland importiert werden. So schön der Plan war, so dubios die Ausführung, denn die Nahrungsmittel kamen nie in St. Petersburg an. Die Gelder (bis zu 122 Mio $) verschwanden auf Offhsore-Konten. Die Ermittlungen zu diesem Skandal zogen sich über Jahre hin bis sie kurz nach Putins Machtübernahme endgültig eingestellt wurden.
Einer der Nutznießer war G. Timtschenko, der im sowjetischen Außenhandelsministerium tätig gewesen war, und der zusammen mit seinen Partnern Katkow und Malow Öl aus der einzigen Ölraffinerie von St. Petersburg exportieren durfte, die zum Ölkonzern Surgutneftegas gehörte. Timtschenko und seine Partner bauten die Handelsgesellschaft zielstrebig durch die Verbindung zu Surgutneftefgas auf bis sich 2003 die Wege der Kineks-Partner trennten.
Ab 1998 wickelte Kineks alle Geschäfte über die Bank Russia ab und beteiligte sich auch an dieser Bank. Seitdem bestehen enge Geschäftsbeziehungen zum Bank Russia-Netzwerk, das die allerengsten Putin-Leute vereinigt.
Aufbau eines Energie-Imperiums
Timtschenkos Netzwerk bestand aus mehreren Ölhandelsgesellschaften darunter auch Gunvor, eine Firma, die er 1997 mit einem schwedischen Ölhändler gründete: Torbjörn Törnqvist. Anfangs noch ein eher kleines Unternehmen, begann der Aufstieg zum größten russischen Ölhandelskonzern nach der Machtübernahme Putins.
Insbesondere die Quasi-Verstaatlichung des größten Ölkonzerns JUKOS war für Gunvor sehr profitabel. Putins Gefolgsmann Setschin orchestrierte die Übernahme der Yukos-Werte durch den staatlichen Rosneft-Ölkonzern, dessen Aufsichtsrat er leitete. Für die Exporte des Yukos-Öls und auch zunehmend für das Rosneft-Öl fand Setschin ein williges Unternehmen: Gunvor. Auch andere Russische Ölkonzerne wechselten zu Gunvor. Ergebnis: 2003 lag der Umsatz von Gunvor noch bei ca. 5 Milliarden $, 2007 dann schon bei 70 Milliarden $. In den Medien wurde oft gemutmaßt, dass die enormen Gunvor-Profite neben den beiden offiziellen Eignern auch an Mitglieder der Putin-Elite und Putin selbst verteilt würden.
Seit 2011/2012 ist Timtschenkos Verhältnis zum führenden Silowiki Setschin jedoch getrübt, da Timtschenko Pläne für einen globalen Energiegiganten verfolgt, basierend auf russischen Öl- und Gasreserven und der bestehenden Infrastruktur. Damit geriet er in direkte Konkurrenz zum Rosneft-Chef Setschin, der möglichst alle Ölgesellschaften unter der dem Dach von Rosneft vereinigen will.
Über seine VOLGA RESOURCES Holding in Luxemburg kontrollierte er 2013 viele Unternehmen, um seine Vision zu verwirklichen:
Sowkomflot, die führende Öltankerflotte
Transoil, die führende Eisenbahn-Frachtgesellschaft für den Öltransport
Exporthäfen: Bau eines Hafens zum Export von Flüssiggas, Ölterminals in Ust-Luga und in Noworossisk
Er erhielt Lizenzen für zahlreiche neue Öl- und Gasfelder
Immer wieder wird auch über eine langjährige Beteiligung am Ölkonzern Surgutneftegas gemunkelt, dessen Öl Timtschenko zu Beginn der 90er Jahre exportierte. Heute ist Surgutneftegas einer der letzten großen unabhängigen Ölkonzerne und dazu sehr profitabel.
Enge Verbindungen bestehend auch zur nationalen Eisenbahngesellschaft Russian Railways, dessen langjähriger Präsident Wladimir Yakunin auch Aktionär der Bank Russia und ein alter Putin-Freund ist. Sein Sohn war zeitlang auch bei Gunvor beschäftigt.
Timtschenko unterhält auch gute persönliche Beziehungen zum Präsidenten des nationalen Pipeline-Betreibers Transneft, Nikolai Tokarew, der Ende der 1980er Jahre Putins Vorgesetzter während seiner KGB-Zeit in Dresden war.
Stroitransgas (einer der größten Baukonzerne im Bereich Gasinfrastruktur / Pipelines; Engineering-Projekte; Hauptkunden sind Gasprom, Rosneft und Transneft)
% Sibur (einer der größten petrochemischen Komplexe in Russland)
Ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung von Timtschenkos Vision war sein Einstieg in den größten unabhängigen Gasproduzenten Nowatek, den er nach einem mehrjährigen Aufkaufprogramm mittlerweile zusammen mit dem Gründer Michelson kontrolliert. Das größte Nowatek-Aktienpaket erwarb Timtschenko ausgerechnet vom Konkurrenten Gasprom, der seine Nowatek-Beteiligung weit unter Marktwert verkaufte.
2014 wurde auf Betreiben von Nowatek das Gasexportmonpol von Gasprom gelockert, denn Nowatek darf nun Flüssiggas exportieren und auf dem Weltmarkt agieren. Da der Energiesektor der wichtigste strategische Wirtschaftssektor des Landes ist, geschieht nichts ohne den Segen des Kreml. Es bleibt offen, wie der Dreikampf zwischen Rosneft, Gasprom und Timtschenko entschieden wird.
Investments in anderen Bereichen
9,5 % Bank Russia
über 10 % Alma Versicherung (2006 von der Gasprombank gekauft); % Sogas-Versicherung
Beteiligungen im Flugbereich (A-Group)
Hotels in Frankreich
Russian Sea (Fischprodukte)
Sanktionen
Nach der russischen Einverleibung der Krim und den Kämpfen in der Ostukraine gehörte Timtschenko zu den Personen, die auf die amerikanischen und europäische Sanktionslisten gesetzt wurden. Doch Timtschenko bewies mit dem Verkauf seines 44 % GUNVOR-Anteils an seinen langjährigen Partner Tornqvist ein sehr "glückliches Händchen". Nur einen Tag später wurde Timtschenko auf die Sanktionsliste gesetzt.
Seine Beteiligung an Sibur "verkaufte" er an den Sohn seines Geschäftspartners Nikolai Schalamow, der auch Aktionär der Bank Russia ist. Auch seine Fluginteressen veräußerte er, aber ansonsten basieren seine Geschäfte hauptsächlich auf Beziehungen zu Staatskonzernen, die von den Sanktionen nicht so stark betroffen sind wie andere Firmen,
Autor dieser Seiten: Netstudien (Dienstleister für Recherchen, Analysen und Studien.)
Gennadi Timtschenko, Arkadi und Boris Rotenberg und die Bank Russia-Gruppe verdanken ihren Aufstieg ihren engen Verbindungen zu Präsident Putin. Sie gelten als Putin`s Milliardäre und stehen auf der Sanktionsliste von USA und EU. Timtschenko stieg im Ölhandel auf, während Rotenberg und die Bank Russia-Gruppe in erster Linie durch die Plünderung von Gasprom sehr reich wurden.